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Städtebauliches Symposium: Architekturdarstellung und Zukunftsvisionen – Peter Behrens in Berlin und Brandenburg

Städtebauliches Symposium: Architekturdarstellung und Zukunftsvisionen – Peter Behrens in Berlin und Brandenburg

2. Städtebauliches Symposium im Studio des Peter-Behrens-Baus am 24. Mai 2024

Teilnehmer:

Sergei Tchoban – Tchoban Voss Architekten und Tchoban Foundation

Dr. Hans-Dieter Nägelke – Direktor Architekturmuseum TU Berlin

Dr. Antonia Brauchle – Untere Denkmalschutzbehörde Treptow-Köpenick

Prof. Dr. Silvia Malcovati – Fachhochschule Potsdam

Prof. em. Hartmut Frank – HafenCity Universität Hamburg (HCU)

Hans Joachim Paap – gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner

Robert Sprajcar – DIEAG Unternehmensgruppe

Moderation: Dr. Johanna Sonnenburg

 

„Mutig!“ – das war vermutlich die häufigste Reaktion, als ein Freitagabend als Termin für das 2. Städtebauliche Symposium mit dem Titel „Architekturdarstellung und Zukunftsvisionen“ festgelegt wurde. Die Veranstalter vertrauten auf das starke Thema und in die hochkarätigen Teilnehmer. Und sie sollten Recht behalten: Mit mehr als 80 Gästen war der Veranstaltungsraum des Peter-Behrens-Baus in Berlin Oberschöneweide gut gefüllt. Das Symposium wurde von Dr. Johanna Sonnenburg, Lead Expert des urban development LABs am BE-U, moderiert. Es markierte zugleich den Höhepunkt und das Ende der Ausstellung „Peter Behrens in Berlin und Brandenburg – Retrospektive und Perspektive“. Diese gab in den zurückliegenden vier Wochen in der repräsentativen Lichthalle des Behrens-Baus Einblicke in die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des markanten Gebäudes.

Eröffnet wurde das Symposium von Prof. Dr. Silvia Malcovati, Professorin für Entwerfen und Städtebau am Fachbereich STADT|BAU|KULTUR des IaF – Institut für angewandte Forschung – Urbane Zukunft der Fachhochschule Potsdam. Sie gab einen Rückblick und Ausblick auf die Themen, die sie als Initiatorin der Ausstellung während der zweijährigen Vorbereitungszeit und in der vierwöchigen Ausstellungsperiode immer wieder beschäftigt haben: Das Werk von Peter Behrens, die prägende Wirkung von Architektur auf den städtischen Raum, der didaktische Wert der Darstellung für das Lernen aus der Vergangenheit und für den Blick in die Zukunft sowie die Restaurierung und Refunktionalisierung historischer Gebäude als identitätsstiftende Elemente im Stadtraum.

Dr. Hans-Dieter Nägelke, Direktor des Architekturmuseums der TU Berlin, Sergei Tchoban, geschäftsführender Gesellschafter von Tchoban Voss Architekten und Gründer der Tchoban Foundation und Dr. Antonia Brauchle, Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde Treptow-Köpenick vertieften diese Themen in ihren Impulsvorträgen. Teilnehmer der abschließenden Podiumsdiskussion waren zusätzlich Prof. em. Hartmut Frank von der HafenCity Universität Hamburg (HCU), Hans Joachim Paap, Partner bei gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner sowie Robert Sprajcar, CEO der DIEAG Unternehmensgruppe.

 

Am Anfang steht das Bild im Kopf

Den Auftakt der Vortragsreihe machte Dr. Hans-Dieter Nägelke. Als Direktor des Architekturmuseums der TU Berlin ist er Herr über ein Archiv mit rund 200.000 Objekten, davon etwa 70.000 bis 80.000 mit Bezug zu Entwürfen, also zu Visualisierungen nicht oder noch nicht realisierter Architektur. Nägelke betonte die Bedeutung der Entwurfsplanung und deren Darstellungsformen in der Architektur und beschrieb die Herausforderung, große übergeordnete Konzepte in kurzen Darstellungen zu präsentieren. Anhand verschiedener historischer Beispiele illustrierte er, wie Grundriss, Aufriss und Schnitt, also technische Konstruktionszeichnungen, in früheren Jahren zwar als Hauptdarstellungsmodi verwendet wurden, perspektivische Zeichnungen oder gar städtebauliche Entwürfe später jedoch als Werbemittel sehr bedeutend wurden. Große Werke entstehen aus Bildern im Kopf, nicht aus technischen Zeichnungen, wie schon der amerikanische Ingenieur Eugene Ferguson betonte. Nägelke gab in seinem Vortrag einen Überblick über die historische Entwicklung und Bedeutung von Darstellungen, die sich auf die Vermittlung der Vision hinter den Architekturentwürfen konzentrierten – von einfachen Skizzen bis hin zu komplexen städtebaulichen Entwürfen. Beispiele reichen von Andrea Palladio in der Renaissance über Karl Friedrich Schinkel bis hin zu Wettbewerbsbeiträgen des 19. und 20. Jahrhunderts – einschließlich der Werke von Peter Behrens.

 

Ausdrucksform der Architektursprache

Sergei Tchoban sprach anschließend in seinem Vortrag über die Dualität in der baulichen und zeichnerischen Sprache. Er betonte, dass Veränderungen in der Bauweise zu Veränderungen in der Darstellungsweise führen. Er zeigte Beispiele von historischen und modernen Zeichnungen, die unterschiedliche architektonische Stile repräsentieren. Tchoban beschrieb die Einflussnahme bedeutender Architekten wie Peter Behrens und Walter Gropius und die Konkurrenz zwischen traditionellen und modernen Architektursprachen. Er zeigte auf, wie diese Sprachen durch Zeichnungen zum Ausdruck gebracht wurden und erwähnte in diesem Zusammenhang berühmte Zeichner und Architekten wie Hugh Ferriss und Ludwig Mies van der Rohe. Sein Vortrag machte ebenfalls deutlich, dass Architekturströmungen sich nicht von Landes- und Kulturgrenzen aufhielten ließen. Beispielsweise wurde die sowjetische Architektur teils deutlich von amerikanischen Architekten beeinflusst. Anhand verschiedener Beispiele illustrierte Tchoban, wie verschiedene große Epochen und Stile die Darstellungsweisen in der Architektur beeinflusst haben.

 

Grundlage für die Denkmalpflege

Frau Dr. Antonia Brauchle holte die Gäste mit ihrem Vortrag zum Prozess der aktuellen Planung, Sanierung und Restaurierung des Behrens-Baus wieder in die Gegenwart zurück. Zum Einstieg erläuterte sie die Rolle von Architekturzeichnungen aus Sicht der historischen Bauforschung und Denkmalpflege. Sie illustrieren die Ideen des Architekten und sind als Teil der Bau- und Konstruktionsausführung zu verstehen. Die historische Bauforschung verwendet sie als wichtige Quelle für die Bau- und Umbaugeschichte von Gebäuden und demzufolge auch als Grundlage für substanzschonende und denkmalgerechte Instandsetzungen. Dazu wird vermessen, fotografiert, gezeichnet und schriftlich dokumentiert. Anhand der historischen Halle 5 im Innenhof des Peter-Behrens-Baus zeigte sie, wie dieses in der Praxis der Denkmalpflege funktioniert. Auch wenn es im Lauf der Zeit zu erheblichen baulichen Veränderungen und Überlagerungen durch spätere Baumaßnahmen gekommen ist, können originale Bauteile und Strukturen erschlossen und teilweise freigelegt werden, die anschließend die Grundlage für denkmalschutzgerechte Rekonstruktionen bilden. Brauchle beendete ihren Vortrag mit einem Appell zur Anerkennung und Erhaltung der architektonischen und baulichen Qualitäten bestehender Bauten.

 

Historische Gebäude zwischen Tradition und Moderne: Flexible Funktionalität, Ästhetik und Identifikation

In der abschließenden Podiumsdiskussion beschrieb der mit einem Teil der Projektentwicklung am Behrens-Ufer betraute Architekt Hans Joachim Paap die historische und architektonische Bedeutung des Behrens-Baus, insbesondere das Selbstbewusstsein und die Flexibilität der Konstruktion. Er hob hervor, dass sich das Gebäude vor allem durch die hohe Traglast des Gebäudes für verschiedene zukünftige Nutzungen eignet. Auch wenn die Modernisierung von Bestandsgebäuden große Herausforderungen mit sich bringen und Kompromissbereitschaft erforderten, betonte er die Notwendigkeit, den ursprünglichen Charakter und die Identität der Gebäude im Sinne des Denkmalschutzes zu bewahren.

Robert Sprajcar bestätigte als CEO der DIEAG Unternehmensgruppe aus der Perspektive des Bauherrn, dass von Bürowelten über Bildungseinrichtungen bis hin zu modernen Industrie- und Laborausstattungen alles möglich sei. Als Beispiel benennt er die aktuelle Anpassung des Gebäudes an die hohen Anforderungen von ASML, einem weltweit führenden Unternehmen in der Herstellung von Lithographiemaschinen für die Halbleiterproduktion. Die Sanierung von Altbauten sei zwar im Vergleich zum Neubau die im engeren wirtschaftlichen Sinne nicht immer attraktivere Variante, jedoch für die Identitätsstiftung und Attraktivität eines Standortes gerade auch für zukunftsorientierte moderne Mieter sehr wichtig. Er hob hervor, dass solche Projekte letzten Endes aber nur durch den ständigen Austausch und eine ausgeprägte Kompromissbereitschaft zwischen Eigentümern, Architekten und Denkmalschutzbehörden erfolgreich realisiert werden können.

Prof. em. Hartmut Frank hält es nicht für selbstverständlich, historische Industriebauten zu erhalten und umzunutzen. Er lobte die visionäre Architektur von Peter Behrens, die Industriegebäude zu markanten städtischen Symbolen machten. Frank thematisierte auch die Herausforderungen und Erfolge der Anerkennung und Integration dieser historischen Bauten in moderne städtebauliche Entwicklungen. Er würdigte die vielfältigen Talente von Peter Behrens und sein Lebenswerk, das bis heute Lösungen für Bauaufgaben beeinflussen.

Sergei Tchoban betonte die Bedeutung des Dialogs zwischen Tradition und Moderne, insbesondere in der Architektur. Er hob hervor, dass die Integration verschiedener architektonischer Handschriften zu einer lebendigen und dynamischen Stadt beiträgt. Am Beispiel Berlins erläuterte er, dass die Stadt gerade durch ihre Vielfalt und Brüche interessant ist und nicht durch eine einheitliche Architektur. Das Projekt Behrens-Ufer sei hierfür beispielhaft. Es schaffe eine robuste städtebauliche Struktur, die verschiedene architektonische Sprachen erlaubt und den Behrens-Bau gleichzeitig angemessen respektiert.

Dr. Antonia Brauchle wies darauf hin, dass es in der Zusammenarbeit mit Architekten und Denkmalbehörden oft einen Grundkonflikt zwischen dem Wunsch der Architekten, ihre Spuren zu hinterlassen, und den Anforderungen des Denkmalschutzes gibt. Kompromisse, die sowohl den historischen Charakter als auch die modernen Nutzungsanforderungen berücksichtigen erforderten viel Arbeit und Planung.

Am Ende des Symposiums stand als gemeinsames Fazit der Podiumsteilnehmer: Peter Behrens verstand sich als Mittler zwischen Tradition und Moderne, der sich durch seinen künstlerischen Hintergrund Freiheit und Flexibilität im Denken bewahrte, seine Ideen mutig und selbstbewusst voranbrachte, gleichzeitig aber so anpassungsfähig war, dass seine gleichzeitig zeitlosen und zeitbewegten Werke uns noch lange als wertvolles Erbe der Architekturgeschichte erhalten bleiben werden.

 

Text: Peter Müller, RÜCKERCONSULT GmbH

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